600-Jahre Petzow

Anläßlich der 1. urkundlichen Erwähnung von Petzow im Jahr 1419 fanden bei uns mehrere Veranstaltungen statt. Auf der Festveranstaltung wurde allen Teilnehmern ein Festschrift überreicht. Da auch ein kurzer geschichtlicher Abriss über die Geschichte unseres KiEZ Inselparadies in dieser Schrift enthalten ist, wollten wir Euch das nicht vorenthalten. Viel Spaß beim Lesen. 

"Kinder, Kinder…
Vom „Tschoibalsan“ zum „KiEZ Inselparadies“
(gs/kf) Waren wir nicht alle schon mal in Petzow? Irgendwann hatten wohl gefühlt alle Schulkinder aus der DDR einmal im Jahr ein paar Tage hier im Pionierlager verlebt. Petzow war für die Kleinen wohl das, was für die Großen Prebelow war und nur die echten Insider wissen gerade, worum’s geht… 
Das Petzower Pionierlager „Tschoibalsan“ jedenfalls war irgendwann einmal Geschichte, als die deutsche Geschichte zu einer ihrer größten Wendungen ansetzte. Doch die Kinder blieben dem rührigen Team der Kinderbetreuer auf der Petzower Halbinsel Hohenwerder erhalten. Von vielen Schwierigkeiten begleitet, setzte sich doch wieder einiges in Bewegung, woran der eine oder andere hierzulande schon nicht mehr so richtig glauben wollte. Doch lesen wir selbst.       
Die Geschichte des KiEZ (Kindererholungszentrum) Inselparadies begann eigentlich im Jahr 1951 am Wolzensee bei Rathenow. Hier wurde vom „VEB Lokomotivbau Babelsberg“, früher „Orenstein & Koppel“, als sogenanntem Trägerbetrieb ein Zeltlager errichtet. Jedoch waren die Bedingungen dort nicht optimal, denn im Jahr 1953 musste man nach Petzow umziehen. Im Auftrag der Regierung der DDR und des Zentralrates der FDJ wurde auf der Halbinsel Hohenwerder ein Zentrales Pionierlager aufgebaut. Es war, wie damals üblich, ein großes Zeltlager. Einfach ausgestattet mit Holzpritschen und Strohsäcken. Doch über 1000 Kinder und Jugendliche konnten nun Ihre Sommerferien hier verbringen. Natürlich standen Spaß und Erholung im Vordergrund. Ein straff organisierter Tagesablauf, zu dem auch tägliche Apelle und Veranstaltungen gehörten, sollte aber auch dazu beitragen, die „sozialistische Erziehung“ der Pioniere und FDJler auch in den Ferien fortsetzen zu können.

Die Gruppen-, Freundschaft- und Lagerleiter waren Mitglieder der FDJ. Für die materiell-technischen Voraussetzungen im Lager sorgte ein Wirtschaftsleiter als Angestellter des Trägerbetriebes. Zu Ehren des heute nicht unumstrittenen mongolischen Volkshelden Chorloogiin Tschoibalsan erhielt das Lager dessen Namen: Tschoibalsan.

Mit den Jahren wurde ständig an der weiteren Ausgestaltung des Lagers gearbeitet. Es entstanden eine Küche, ein Verwaltungsgebäude und eine Krankenstation als feste Gebäude. Ein Speiseraum wurde erst später errichtet. Auch die Badestelle und Freilichtbühne kamen erst 1961 hinzu.  
Ende der sechziger Jahre wurden die ersten Bungalows aufgebaut. Auch diese waren mit jeweils acht Doppelstockbetten, zwei Schränken, einem Tisch und Stühlen sehr einfach ausgestattet. In den Sanitäranlagen gab es jahrelang nur kaltes Wasser. Ein etwas komfortableres Sanitärgebäude entstand Mitte der 1970er Jahre. Nun konnte auch einmal in der Woche warm geduscht werden.
Trotz der einfachen Ausstattung erfreute sich das Zentrale Pionierlager großer Beliebtheit. Die Kinderund Jugendlichen kamen nicht nur aus der DDR, sondern auch aus anderen sozialistischen Ländern. Auch aus dem westlichen Ausland, z.B. aus Frankreich und Italien waren viele Jugendliche zu Gast in Petzow.  Damit sollte die internationale Freundschaft gestärkt werden.
Im Jahr 1981 wurde das Gelände des Pionierlagers erweitert und ein damals modernes Verwaltungs- und Gästehaus errichtet. 
Unter dem Motto „Wir fahren in ein kinderfreundliches Land“ organisierte die DKP (Deutsche Kommunistische Partei) in der Bundesrepublik Ferienfahrten für Kinder, regelmäßig in den Sommerferien auch nach Petzow.
Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte des Pio-nierlagers wurde auf dem XI. Parteitag des SED 1986 gelegt. In der Direktive zum 5-Jahrplan wurde festge-legt, dass das Pionierlager „Tschoibalsan“ umfassend zu rekonstruieren ist. Nun entstanden die mehrgeschossigen Bettenhäuser. Auch Küche und Speisesaal wurden auf einen neuen Stand gebracht. Diese Rekonstruktion sollte bis 1990 abgeschlossen sein und das neue Pionierlager anlässlich des XII. SED-Parteitages übergeben werden. Dazu kam es allerdings nicht mehr. Durch die politischen Veränderungen musste auch für das Zentrale Pionierlager ein neuer Weg gefunden werden. Am 1. Juli 1990 erfolgte die Neueröffnung der Einrichtung als Kindererholungszentrum (KiEZ) „Inselparadies“. Die etwa 500 Kinder und Betreuer kamen traditionell aus dem Bezirk Leipzig und vom Maschinenbau „Karl Marx“ aus Potsdam. Im Herbst 1990 wurde dann durch den Trägerbetrieb die Schließung der Einrichtung angeordnet und fast alle Mitarbeiter in sogenannte Null-Stunden-Kurzarbeit geschickt. Nun erfolgte die Verwaltung der Einrichtung durch die Treuhandanstalt. Diese war bestrebt, das Gelände möglichst schnell und gewinnbringend zu veräußern. Damit wollten sich einige Mitarbei-ter nicht abfinden. Gemeinsam mit anderen KiEZen entstand eine Initiative zum Erhalt dieser Einrichtungen. Die, die wirtschaftlich arbeiten konnten, sollten erhalten bleiben. Um dies zu gewährleisten, gründeten sich gemeinnützige Vereine als Betreiber und die Grundstücke sollten von der Treuhand an die Standortkommunen verkauft werden. Auch die Stadt Werder (Havel) wollte zunächst das Territorium kaufen, zog sich dann aber aus den Verhandlungen zurück. Der Verein in Petzow arbeitete aber weiter, denn jährlich ca. 8000 Gäste belegten deutlich, dass das KiEZ beliebt ist. Im Jahr 2003 erfolgte dann durch die Treuhandanstalt eine öffentliche Ausschreibung zum Verkauf. Daran beteiligte sich auch der Ver-ein, konnte aber die Finanzierung auf Grund der jahrelang an die Treuhand gezahlten Pacht nicht aufbringen. Schließlich kauften zwei Glindower Privatunternehmer das Gelände. Sie schlossen mit dem Verein einen Erbbaupachtvertrag und der Verein kaufte die Gebäude. 

Seitdem ist der Fortbestand der beliebten Kinderein-richtung gesichert. Jährlich kommen bis zu 8.000 Gäste und es werden 25.000 bis 30.000 Übernachtungen gezählt. Dies ist vor allem auch den vielen Programmangeboten zu verdanken. Die Gäste ge-stalten hier ihre Klassenfahrten, Kitaausflüge, verbringen ihre Ferien oder nutzen das KiEZ, um an Trainings- und Probenwochenenden ihrem Hobby nachzugehen. Dazu stehen ihnen nicht nur die Bettenhäuser, sondern auch eine Klubgaststätte, Seminarräume und weitere Freizeiträume zur Verfügung. 

Ein Spielplatz, der eigene Badestrand, die Freilichtbühne und der Sportplatz bieten viele Möglichkeiten zur Aufenthaltsgestaltung. Die Gäste kommen längst nicht mehr nur aus Deutschland. In den letzten Jahren kamen sie u.a. aus Moldawien, Tschechien, Spanien, Polen oder der Ukraine. 
Mit der Umsetzung des Bebauungsplanes, welcher noch durch die Stadtverordnetenversammlung Werder (Havel) beschlossen werden muss, können in der Zukunft weitere Maßnahmen getroffen werden, um das KiEZ Inselparadies weiter zu einer modernen Kinder- und Jugenderholungseinrichtung zu entwickeln.
Die insgesamt 13 KiEZe, welche in einer Bundesarbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen sind, sind heute in Deutschland ein fester und anerkannter Bestandteil des Kinder- und Jugendreisens. Gemeinsam mit tausenden begeisterten jungen Gästen stellt sich die KiEZ-Crew in Petzow jahrein, jahraus die programmgewordene und leicht zweideutige Frage „Bist Du reif für die Insel?“ Ein klares JA darauf ist nicht die falscheste Antwort. 

Quelle:

Festschrift, Impressum:
Herausgeber:
Heimatverein Petzow e.V.
14542 Werder (Havel) OT Petzow
Fercher Straße 50b
www.petzow-online.de
in Zusammenarbeit mit dem Ortsbeirat Petzow und der Stadt Werder (Havel) Redaktion: Karl-Heinz Friedrich
Korrekturlesungen: Henry Klix, Oliver Sonntag
Satz, Druck und Layout: Havelprint Werder (Havel)
Redaktionsschluss: 31.5.2019
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers. Werder (Havel), im Sommer 2019

Wer ein Exemplar dieser Schrift haben möchte, kann sich gern bei uns melden.